Beurteilung ist schwierig

Letzte Woche fanden an meiner Schule die Abschlussprüfungen statt, was bedeutete, dass wir als Mathematik-Fachschaft die darauffolgenden Tage mit Korrigieren verbrachten. Dabei ist mir dieser Spruch eingefallen, den ich immer wieder höre:

“Mathematik-Prüfungen sind einfach zu korrigieren, die Lösung ist entweder richtig oder falsch.”

Diese Überzeugung hatte ich auch mal… Bis ich selber begann, Matheprüfungen zu korrigieren. Da merkte ich, dass die Beurteilung doch nicht so einfach ist. Denn wenn ein Schüler das Resultat einer Aufgabe zwar richtig hat, aber der Rechnungsweg falsch ist und nur durch Zufall das richtige Resultat herauskommt, hat er dann die volle Punktzahl verdient? Hat er die Aufgabe verstanden und richtig gelöst?

Eine andere Schülerin hat den richtigen Lösungsweg notiert, aber vergessen, das Schlussresultat hinzuschreiben. Hat sie es nun richtig gelöst? Und wie viele Punkte soll ich ihr dafür geben? Gebe ich halbe oder sogar viertel-Punkte? Macht es überhaupt Sinn, mit Punkten zu beurteilen?

Oder was mache ich mit der Schülerin, die alles richtig gerechnet, aber gewisse Teile falsch aufgeschrieben hat? Ein Beispiel dazu, bei welchem sie die Klammern vergessen hat:

  • Korrekter Weg: a * (b + 3) = ab + 3a
  • Ihr Weg: a * b + 3 = ab + 3a

Und noch ein letzter Fall: Eine Aufgabe gibt drei Punkte. Der Schüler macht am Anfang einen Fehler, rechnet danach aber fehlerfrei weiter, bis hin zum Resultat. Nur ist sein Rechnungsweg einiges einfacher als es der korrekte Lösungsweg wäre. Wieder lautet die Frage: Wie viele Punkte gebe ich ihm dafür? Gebe ich nur einen halben Punkt Abzug, weil er ja nur einen Fehler gemacht hat? Gebe ich null Punkte, weil er von Anfang an nie auf dem richtigen Weg war? Aber danach hat er doch fehlerfrei weitergerechnet. Sollte das nicht auch honoriert werden?

Die eigentliche Frage, die wir klären müssen, ist, um was es bei der Beurteilung geht. Was prüfen wir überhaupt?

  • Ob die Jugendlichen ein Thema, ein Sachverhalt verstanden haben?
  • Ob sie strukturiert vorgehen?
  • Ob sie sauber schreiben?
  • Ob sie Notationen richtig anwenden können? (Z.B. dass man L = { 3 } schreibt und nicht L = 3)

Fragen über Fragen… Gerade weil bei der Beurteilung so viele Fragen geklärt werden müssen, ist sie so schwierig und nicht eindeutig. Daraus folgte bei mir die Erkenntnis, dass Beurteilung in den meisten Fällen schlichtweg abhängig von der beurteilenden Person ist.