Meine Probleme mit der Schule

Trying to march everyone at the same pace towards an assessment is just failing to understand the diversity of learners in your environment, and badly letting people down.

Es sind Zitate wie dieses von Learnlife, die etwas in mir auslösen. Eine Zustimmung zu dieser Aussage und ein frustriertes Empfinden, dass genau dieses Problem in der aktuellen öffentlichen Schule existiert. Dieses Gefühl führt mich weiter zu den vielen anderen Problemen der Schule, die ich momentan sehe und die mich als PH-Student in ein Dilemma bringen. Denn in einem Jahr werde ich das Studium abschliessen und dann sucht man sich eigentlich eine höherprozentige Anstellung an einer Schule. Kaum begonnen, ist man in einem solchen Dauerstress oder -druck, dass man sich keine Gedanken mehr über Sinn und Zweck der Schule und des Lernens machen kann, sondern einfach mal das erste Jahr als Junglehrperson überstehen möchte. Das ist aber nicht mein Plan. Ich möchte etwas gegen diese Schulprobleme tun. Welche Probleme denn? Im Folgenden erläutere ich einige Punkte, die mich im aktuellen Schulsystem besonders stören:

Gleiche Zeit, Gleicher Ort, gleiches Thema

Dass über 20 Jugendliche in einem Raum zur selben Zeit denselben Stoff lernen, ist entwicklungspsychologischer Unsinn. Ohne hier die entsprechenden wissenschaftlichen Beweise zu nennen, reichen der gesunde Menschenverstand und ein bisschen Menschenkenntnis, um zu erkennen, dass sich Menschen unterschiedlich schnell entwickeln. Eine äussere Differenzierung in Sek- oder Real-Niveau reicht nicht mal annähernd. Die Jugendlichen müssen als Individuen behandelt werden. Das ist im aktuellen System der Lektionen, Fächer, Klassen und Beurteilungen nicht möglich.

Kein Problem ist es, wenn sich mehrere Personen explizit für einen Kurs anmelden, also die intrinsische Motivation vorhanden ist. In diesem Fall wird auch zur selben Zeit, am selben Ort mit mehreren Personen derselbe Inhalt behandelt. Aber diese Leute haben die freie Wahl und sind motiviert. Die Jugendlichen in der Schule haben diese Wahl nicht. Sie müssen einfach.

Fokus auf Inhalt statt auf die Lernenden

Sind wir mal ehrlich: Die Liste der Kompetenzen aus dem Lehrplan 21 ist für den normalen Unterricht viel zu gross. Die Lehrpersonen versuchen einfach, möglichst viele oder wenigstens die wichtigsten Kompetenzen im Unterricht abzudecken. Ihr Fokus ist immer auf dem Inhalt und den Kompetenzen, die die Schülerinnen und Schüler erreichen sollten. Wo die Jugendlichen gerade in ihrer Entwicklung stehen, ist dabei irrelevant. Sie haben der Planung der Lehrkraft zu folgen. Ich gebe der Klasse den Auftrag zu einem Thema, das sie nicht gefragt haben und das einige von ihnen nicht interessiert. Entweder beugen sie sich jetzt dem Druck der Lehrperson und erledigen den Auftrag ohne Motivation oder sie suchen die Konfrontation mit Fragen wie “Was bringt mir das?”, “Warum muss ich das machen?”. Dann versuche ich sie irgendwie zu motivieren und wenn das nicht klappt, zwingt man sie direkt oder indirekt. Genau solche Situationen habe ich in meiner bisherigen Erfahrung als Lehrer schon oft erlebt. Sie sind deshalb so unangenehm für mich, weil ich genau weiss, dass sie mit meinem Druck niemals so viel - wenn überhaupt - lernen, wie wenn sie sich aus eigener Begeisterung mit einem Thema beschäftigen.

45 Minuten Lektionen

Alle Lehrpersonen kennen doch das Problem, aber (fast) niemand macht etwas dagegen. Die Jugendlichen sind nach einer halben Stunde fertig mit ihrem Auftrag und müssen für die verbleibenden 15 Minuten noch irgendwie weiterbeschäftigt werden. Oder fünf Minuten vor Lektionsende sind die Schülerinnen und Schüler voll konzentriert in einen Auftrag vertieft. Die Lehrperson muss sie mitten in ihrem Lernprozess unterbrechen, weil die Lektion zu Ende ist. Schade.
Sagt die Schreinerin nach 45 Minuten mitten in ihrer Arbeit an einem Wandschrank, “So, jetzt hör ich auf. Für die nächsten 45 Minuten plane ich die neue Küche für die Kundin.”? Natürlich nicht. Man stelle sich einen Grafiker vor, der nach 20 Minuten mit dem gewünschten Icon für seinen Kunden fertig ist und noch 25 Minuten damit verweilen muss, bis er mit dem nächsten Projekt beginnen darf.
Wir merken: Die Lektionen sind eine Erfindung der Schule und keine Realität in der Gesellschaft.
Selbstverständlich brauchen wir Pausen im Lernprozess, aber der Mensch lernt nicht in 45min Zeiteinheiten, sondern individuell.

Weitere Probleme

Auf die Beurteilung (Portfolios statt Noten) und das Schulzimmer (ein Lernort nicht im wirklichen Leben) werde ich hier nicht genauer eingehen - vielleicht in einem zukünftigen Blog - aber als zusätzliche Erläuterung und Untermauerung meiner genannten Punkte zeigt das folgende Video treffend die grössten Probleme im Schulsystem auf:

Interessanterweise bin ich nicht selber darauf gestossen, sondern eine Dozentin der PHBern zeigte es uns im letzten Semester und meinte dazu:

Die Schweiz ist nicht sehr fortschrittlich, wie die Schulen aussehen.

Nur auf Probleme und nicht auf Lösungen zu fokussieren, ist aber nicht mein Ding. Deshalb bin ich mit verschiedenen Leuten immer wieder im Gespräch und versuche herauszufinden, wie ich oder wir es denn anders, besser oder neu machen können. Die perfekte Lösung habe ich noch nicht gefunden, aber unser Projekt Colearning Bern ist ein Versuch, Lernen und Schule neu zu denken.