Die YOLU-Reise startet

In weniger als einem halben Jahr wurde aus der Idee eine handfeste Tatsache. Im Frühjahr 2022 waren es nicht mehr als ein paar Gedanken. Wie wäre es, wenn wir im Effinger Coworking Space Lernende ausbilden würden? Jugendliche waren im Effinger nicht neu. Im Colearning arbeiteten und lernten bereits seit drei Jahren 13 bis 17-Jährige mit und neben den Coworker:innen. Einer von ihnen war nun in der 8. Klasse und wollte Mediamatiker werden. In unserem Partner-Coworking-Space Hirschengraben hatten sie bereits Erfahrung in der Ausbildung von Mediamatiker:innen. Dann sollten wir das doch auch hinkriegen. Unsere vielfältige Community wäre bestens dazu geeignet. Aus dem Gedanken entstanden viele Gespräche mit Mitgliedern aus der Community und schliesslich erste konkrete Schritte. Marco und ich entschieden uns, den Weg zur konkreten Umsetzung zu gehen. Das bedeutete zunächst mal, alle Gedanken in Konzeptform niederzuschreiben. Diesen nicht unbedeutenden Aufwand nahm Marco auf sich und verfasste ein sehr übersichtliches und verständliches Konzept, während ich im Abschluss meines PH-Studiums und in den Hochzeitsvorbereitungen steckte. Als nächstes brauchten wir die Ausbildungsbewilligung für Mediamatiker:innen EFZ. Um diese zu erhalten, ist natürlich ein Betrieb notwendig. Also gründeten wir YOLU und nur ein paar Wochen später erhielten wir die Bewilligung. Auf der einen Seite steht YOLU für den Lehrbetriebsverbund im Effinger, andererseits funktioniert YOLU als IT-Firma. In einem Lehrbetriebsverbund werden Lernende von mehreren Betrieben gleichzeitig ausgebildet, wobei es einen Leitbetrieb gibt, der die Lernenden anstellt und die Koordination sowie Organisation der Lehre übernimmt. Kurzer Einschub: Wieso heisst es eigentlich Lehre und nicht Lerne? Schliesslich lehren die Lernenden nicht, sondern sie lernen. Zurück zum Thema: In unserem Fall stellt YOLU den Leitbetrieb dar, während viele Selbständige und Kleinstunternehmen im Effinger als sogenannte Partnerbetriebe Teil des Lehrbetriebsverbunds sind. Unsere Lernenden werden in ihrer Lehre also nicht nur für YOLU als IT-Firma arbeiten, sondern auch für diese Partnerbetriebe. Konkret könnte das dann z.B. so aussehen:

  • 2 Monate Einführung bei YOLU
  • 3 Monate bei einem Filmemacher
  • 1 Monat IT-Projekt bei YOLU
  • 2 Monate bei einer UX-Designerin
  • usw.

Das Geniale an diesem Konzept ist, dass die Jugendlichen zwar bei unterschiedlichen Betrieben arbeiten, jedoch physisch (fast) immer im Effinger sind. In der Kaffeepause sehe ich sie trotzdem noch und kann mit ihnen austauschen.

Weil der Bund Lehrbetriebsverbunde fördern möchte, bietet er unter gewissen Auflagen eine Anschubfinanzierung für solche Projekte. Den Antrag darauf haben wir im Sommer gestellt und im Herbst zu unserer Freude eine Zusage erhalten. Etwa zur gleichen Zeit unterschrieben wir bereits den ersten Lehrvertrag mit einem unserer Colearner und keinen Monat später war auch die Tinte des zweiten Lehrvertrags im Trockenen. Wow!

Wie geht es jetzt weiter?

Das neue Jahr hat gestartet und wir machen im selben Tempo weiter. Es macht Freude, so unterwegs zu sein. Obwohl Joscha und Maël offiziell erst im August ihre Lehrstelle antreten, haben wir uns zu viert und in Absprache mit den Eltern darauf geeinigt, bereits jetzt einen YOLU-Tag pro Woche zu machen. Jeweils mittwochs arbeiten wir alle zusammen im Effinger. Die beiden Jungs nutzen diese Zeit für ihre eigenen Projekte und sie dürfen durchaus auch Aufträge für Kunden gegen Bezahlung ausführen oder selber versuchen, Aufträge zu akquirieren. In diesem unternehmerischen Tun begleiten und unterstützen wir sie. Für Joscha haben wir bereits ein Notebook gekauft, welches er bis im Sommer privat und ab August dann als Arbeitsgerät für YOLU nutzen darf. Nun haben wir ihm einen Vorschlag gemacht. Er soll zuerst den Wert des Notebooks für dieses halbe Jahr ausrechnen, wobei wir mit einer Abschreibungsdauer von 5 Jahren rechnen. Anschliessend lautet das Ziel, mit eigenen Aufträgen Geld zu verdienen, damit er die Laptopmiete an YOLU für dieses Semester bezahlen kann. Im schlimmsten Fall kann er die Miete nicht zurückzahlen, dann übernimmt es YOLU. Im besten Fall jedoch hat er nicht nur die Laptopmiete bezahlt, sondern zusätzlich die groben Buchhaltungs-Basics gelernt und sogar einen Gewinn für sich erwirtschaftet. Dieses Vorhaben entspricht mehr oder weniger einem Wochenplatz, einfach auf unternehmerischer Basis. Neben solchen Projekten können Joscha und Maël den YOLU-Tag nutzen, um sich auf die Berufsschule vorzubereiten oder in der Effinger-Community mitzuhelfen.

Marco und ich widmen uns an den YOLU-Tagen entweder IT-Mandaten, in die wir zukünftig unsere Lernenden miteinbeziehen, oder dem weiteren Aufbau von YOLU. So gilt es die Buchhaltung aufzugleisen, die Zusammenarbeit mit den Partnerbetrieben zu klären und nicht zuletzt auch Werte zu definieren, die wir in und mit YOLU leben möchten. Uns liegt zum Beispiel Grosszügigkeit auf dem Herzen. Deshalb möchten wir 10% unseres Umsatzes (oder Gewinns, ist noch zu definieren) verschenken. Transparenz ist ein weiterer Wert, der uns wichtig ist. Aus diesem Grund nehmen wir die beiden Jungs auch jetzt schon auf die YOLU-Reise mit. Sie erleben hautnah, wie eine Firma aufgebaut wird, können mithelfen, -denken und -prägen und lernen dabei unglaublich viel. Apropos Lernen, das tun nicht nur die Jugendlichen. Auch Marco und ich lernen auf dieser Reise enorm viel. Dieser Blog soll deshalb einen kleinen Einblick in den aktuellen Zwischenstand geben. Wo wir wohl in einem halben Jahr stehen?